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BAZ

16.4.2008

Der subversivste Gärtner der Schweiz

Maurice Maggi bezeichnet seine heimliche Tätigkeit als florale Anarchie

REGULA WENGER

Seit einem Vierteljahrhundert ist Maurice Maggi (52) in Nacht-und-Nebel-Aktionen unterwegs. In öffentlichem Raum sät er Samen von einheimischen Wildblumen aus. Bald hält der Zürcher in Basel Vorträge. Es fing vor bald 25 Jahren an. Damals stand Maurice Maggi mitten in einem Villengarten am Zürichberg. Seine Aufgabe war es, eine grosse Anzahl prächtiger Malven zu kompostieren.

Doch der junge Gärtner brachte es nicht übers Herz, schleppte die Pflanzen stattdessen nach Hause – und hatte in der Folge ein Riesendepot an Saatgut.Und da waren damals die brach liegenden tristen Flächen und Plätze in der Stadt Zürich und die Alleebäume, die in dieser Zeit noch gejätet und mit Unkrautvertilger sauber gehalten wurden. Die Idee war geboren, die den heute 52-Jährigen zum wohl subversivsten Gärtner der Schweiz werden liess.

Wie ein Sprayer ging er vor: Er inspizierte tagsüber Orte, die er nachts wieder heimsuchte. Doch statt Spraydosen hatte er Samen von einheimischen, teils seltenen Pflanzen dabei und vergrub sie heimlich in der gelockerten Erde. «Blumengraffiti» bezeichnet er seine florale Anarchie, die er auf öffentlichem Raum seither betreibt. «Ich fragte mich damals, was wohl ein Gärtner macht, wenn er im Juni den Auftrag bekommt, halb meterhohe Malven abzutöten, die kurz vor der Blüte stehen...» Tatsächlich liessen die Stadtgärtner die Pflanzen stehen, die rund um die Alleebäume wuchsen. Ein Vierteljahrhundert später blühen in Zürich im öffentlichen Raum eine Menge von Maggis heimlich eingebrachten Malven, Königskerzen, Johanniskraut und Disteln, auch auf dem einst durch seine Drogenszene bekannt gewordenen Lettenareal.

Dank Maggis heimlicher Aussaataktionen wurde es nicht überbaut, stattdessen als schützenswertes Naturbiotop eingestuft. GEOUTET. Als er Mitte der 90er-Jahre genau auf diesem Gebiet ein rollendes Restaurant hinstellen wollte, verweigerten ihm die Behörden zuerst die Bewilligung. So musste er sich als der heimliche Gärtner outen, denn niemand anderer als er selbst war hauptverantwortlich für diese Artenvielfalt auf dem Letten. «Ich hatte, schon bevor dort die Drogenszene war, ausgesät, in der Hoffnung, dass das Areal später einmal nicht überbaut wird. Heute bin ich stolz darauf, dass es geklappt hat.» Die Behörden waren nach seiner Enttarnung schliesslich überzeugt davon, dass er mit seinem Restaurant dem Gebiet nicht schaden würde. Schon seit Jahren lebt der gelernte Gärtner von seinem Einkommen als Koch. Diesen Sommer arbeitet er für eine Catering-Firma bei Karls kühner Gassenschau. Immer noch ist er als «Guerilla-Gardener» unterwegs. Eine spezielle Aktion hat er dieses Jahr vorgesehen: Vorgenommen hat er sich alle Zugangswege zum neuen Fussballstadion in Zürich.

Die beiden Stadtclubs hatten sich nämlich darüber mokiert, dass im Stadion ausgerechnet rote Sitze montiert worden waren. «Die Fans waren entsetzt. Nun habe ich bei Alleebäumen und Brachflächen auf allen Zugangswegen einheimische Blumen in den Farben Blau und Weiss angesät.» Wenn die Natur mitspielt, sollen die Wildblumen rechtzeitig zur Euro Anfang Juni in den Zürcher Farben erblühen. Je länger er seine heimlichen Aussaaten mache, desto mehr Nachahmer fänden seine Aktionen. Guerilla-Gardening, so Maggi, sei momentan hochaktuell, wie er dem Interesse an seiner floralen Anarchie und internationalen Berichten entnimmt. «Heute sind richtige Truppen nachts unterwegs. Sie setzen allerdings bereits fertige Pflanzen und begrünen so grössere Flächen.» GESTREUT.

Über seine Markierungen im öffentlichen Stadtraum referiert Maurice Maggi am Dienstag, 6. Mai, in Basel. Eingeladen hat ihn dazu die Stiftung Gartenbaubibliothek, die verschiedene Vorträge zum Thema «Landschaftsarchitektur – Papierkorb trifft Hochhaus oder die Wahrnehmung städtischer Orte und Unorte» im Programm hat. Basels graue Flächen kennt Maurice Maggi nicht so genau, doch Pflanzensamen gestreut habe er hier auch schon. An die Strassennamen könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Auf dem Dreispitzareal hat er schon oft Ausstellungen besucht, ja, dort könnte er sich heimliche Aussaaten durchaus vorstellen. Kürzlich habe er zudem auf einer Führung durch den Novartis Campus teilgenommen. «Das ist alles sehr durchgeplant, sauber angelegt, ein sehr streng gestaltetes Areal. Es schreit fast schon danach, dass da etwas gemacht wird.» Ob er dort bereits heimlich ein paar Wildblumensamen fallen gelassen hat?

Schliesslich trägt er, wenn er in eine Grossstadt fährt, immer Pflanzensamen in der Hosentasche mit sich. Es wird sich in ein paar Monaten zeigen, was auf dem Campus alles gedeiht und blüht. Nur: Blau-Weiss sollte es nicht unbedingt sein. Vorträge «Landschaftsarchitektur – Papierkorb trifft Hochhaus oder die Wahrnehmung städtischer Orte und Unorte»: 22. und 29. April. Vortragssaal der Schule für Gestaltung Basel auf der Lyss, Spalenvorstadt 2, jeweils 18.15 Uhr. Vortrag Maurice Maggi am 6. Mai. Informationen: Tel. 061 267 45 01. Blumensamen. Maurice Maggi will erreichen, dass die Wege zum Zürcher Letzigrundstadion in Blau und Weiss erblühen.

Foto Tanja Demarmel

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