Es ist ein eigenartiges Bild an der Aemtlerstrasse im Stadtzürcher Kreis 3: Neben dem Baum ragen ein paar wenige Malven in die Höhe, alle anderen Pflanzen haben Gärtner gerodet. Rund um den Baum in der Rabatte am Strassenrand ist die Erde braun. So sehen alle Plätze der Allee aus. Es ist, als wollte die Stadt dem Pionier des Urban Gardening Maurice Maggi mit den Malven ein kleines Denkmal setzen.
Bis vor wenigen Tagen wucherten hier noch Pflanzen. Doch Grün Stadt Zürich, das zum Tiefbaudepartement von Stadtrat Richard Wolff (AL) gehört, hat die Rabatten bei der Zwinglikirche roden lassen. Darüber hat sich Maggi einmal mehr geärgert und seinen Frust am Wochenende auf Facebook und Instagram öffentlich zum Ausdruck gebracht: «Stoppt die Vegetationsdiskriminierung von Grün Stadt Zürich und Stadtrat Wolff.» Und weiter: «Biodiversität sehe ich artenreicher.»
Die Äusserungen sind zwar spontane Reaktionen, ihnen vorausgegangen sind jedoch Dutzende von Briefen und Gesprächen in den letzten Jahren. Nicht nur bei Wolff, der dem Departement seit einem Jahr vorsteht, hat er sich gemeldet, sondern zuvor schon bei Filippo Leutenegger (FDP) und Ruth Genner (Grüne). Immer mit dem gleichen Anliegen: Lasst die Blumen länger stehen!
Bekannt geworden ist Maggi in Zürich als Guerilla-Gärtner. Vor 35 Jahren ist er erstmals nachts losgezogen und hat Samen von Malven in den Beeten an den Strassenrändern vergraben. Er wollte Leben, Farbe, Blumen, die Natur in die Stadt bringen – und kämpfte gegen das Grau an, das die Stadt verbreitete. Diese jätete, was am Strassenrand wuchs, oder setzte gar Herbizide gegen die Pflanzen ein.
Doch plötzlich wuchsen diese auffälligen Gewächse mit ihren pastellfarbenen und weissen Blüten in die Höhe – und niemand wusste, warum. Maggi selber bezeichnete seine Aktionen als Blumengraffiti. Und der florale Anarchist streut nicht nur Malven aus: Seine Palette von Blumensamen umfasst heute viele heimische Arten – vom Johanniskraut über Disteln und den Wiesensalbei bis hin zum Spitzwegerich.
Im Mai hat sich Maurice Maggi schriftlich an die Stadt gewandt mit der Sorge, dass bald wieder die Stadtgärtner und beauftragte Gartenbaufirmen ausrücken und das Gewachsene zurückschneiden. «Ich finde dieses Vorgehen nicht mehr zeitgemäss, es ist eine veraltete Denkweise von unnötigem Pflegewahnsinn.» Überall werde nach mehr Nachhaltigkeitund Biodiversität gerufen, leider sei dies aber «noch nicht bis zu Grün Stadt Zürich vorgedrungen».
Maggi geht es aber nicht nur darum, den Lebensraum für die Menschen in der Stadt naturnah zu halten. Ab Mitte Juni würden Bauern die Magerwiesen zurückschneiden. Damit verhinderten sie die Versamung von Wildblumen, den Insekten werde zudem der Nektar weggenommen. Die Hungersnot für die Bienen, so sagt er, beginne deshalb früh. Die Stadt könnte, so Maggi weiter, den Insekten in den Beeten Asyl gewähren. «Ein einmaliger Rückschnitt im Herbst täte es vollends», schreibt der ausgebildete Gärtner.
Stadtrat Wolff und die Direktorin von Grün Stadt Zürich, Christine Bräm, haben Maggis Brief letzte Woche ausführlich beantwortet. Sie schreiben, dass die Arbeiten zu den Rückschnitten gemäss Submissionsverorderung für vier Jahre ausgeschrieben und vergeben wurden. Die Unternehmen hätten Zeitfenster für die Arbeiten erhalten. Bei wüchsigen Wiesen sei die Vorgabe für den ersten Schnitt von Mitte Juni bis Mitte Juli und den zweiten Schnitt von Mitte September bis Mitte Oktober. Bei weniger wüchsigen Wiesen seien die Schnittzeitpunkte im August. Oftmals hätten die Wiesenblumen die Möglichkeit zum Abblühen. «Doch gerade im Strassenraum ist die Ökologie nur eine von vielen Aspekten, die es zu berücksichtigen gilt.»
Wolff und Bräm erwähnen die Vorgaben der Verkehrssicherheit. Zudem würde ein Teil der Bevölkerung ungemähte Baumscheiben als ästhetisch inakzeptabel empfinden. Und auch Velofahrende, Hundehaltende und «Zeckenskeptiker(innen)» forderten eine öftere, mehrmalige Mahd.