Wer in den New Yorker Stadtteilen Brooklyn und Queens oder in irgendeiner europäischen Grossstadt Malven an Strassenrändern blühen sieht, kennt ab jetzt ihren Gärtner: Maurice Maggi. In New York lebte er vier Jahre, ein Jahr als Gärtner, drei Jahre als Koch. Malvenbeete sind seit 1984 auf seiner persönlichen Weltkarte, so wie andere Fähnchen ihrer Reiseziele darauf stecken.
Mit dem eigenen Domizil im Kreis 6 begann seine Aussaat in Baumscheiben, die das Grünflächenamt Zürich «Zürich Grün» damals sauber jätete und mit Herbiziden frei von Unkraut hielt. «Da kam mir die Idee, Malven auszusähen. Ich wollte sehen, ob angestellte Gärtner blühende Blumen ausjäten oder sogar vernichten», erzählt er.
Mit einigen Bezirksgärtnern setzte er sich ins Benehmen, andere stellten den öden Urzustand wieder her. Denn die Meinung, ob die Begrünung einer Baumscheibe die Bodenfeuchtigkeit hält oder diese im Gegenteil austrocknet, teilt die Profis in zwei Lager.
Wo man ihn liess, machte er seine «grünen Baustellen» farbig. Dann markierte er mit Malvenaussaat seine Arbeitswege, die Wohnorte seiner Geschwister, Freunde kamen hinzu - den subversiven Hintergrund stets im Gedächtnis. «Eine Begrünung von kleinsten Plätzen mit einfachen Mitteln schafft für den Betrachter ein neues Bild und beruhigt Passanten und Autofahrer. Die Strassen wirken intim und privat. Man könnte in den Quartieren Wohnlichkeit herbeiführen», verrät er seine Philosophie, während er Samen von ein paar verblühten Blüten abpflückt. Schliesslich sind das ja seine Blumen. Er lacht: «Solche Besitzansprüche wären schwierig zu beweisen.» Aber Malvensamen sind teuer, vier Franken pro Gramm.
Beim «Bachöffnungskonzept» als Auftrag für «Zürich Grün» machte Maurice Maggi konkrete Erfahrungen mit extensiver Oberflächenbewirtschaftung. Auch aus den Ansiedlungsversuchen mit Pflanzen der Studenten um Elias Landolt, Biologe an der Universität Zürich, lernte er.
Mit der damals geplanten Überbauung Oberer Letten, lange bevor dort die Drogenszene begann, startete Maurice Maggi, der Gärtner, eine grösser angelegte Offensive mit Kollegen seines späteren Berufs: Zusammen mit anderen Köchen planten sie eine Art «Flusskiosk» als grüne Oase und stillen Ort zum Erholen. «Ich hoffte damals, dass sich mit einer grossflächigen Aussaat das Betonprojekt hinauszögern lässt», sagt er. Indem er Gespräche mit Projektleitern begann, outete er sich gleichzeitig gegenüber der Stadt Zürich. Man einigte sich tatsächlich auf eine Aufteilung je zu einem Drittel Sportanlage, Gastronomie und Trockenbiotop. Inzwischen weiss man, dass alles anders kam.
Heute profitiert von ihm der Kreis 3 als neuer Wohnort des 56-Jährigen. Und wieder zieht sich eine blühende Linie durch die Berta- und die benachbarten Strassen bis zum Albisriederplatz, später wieder von der Löwenstrasse bis zur Sihlporte.
Unterdessen gesellen sich weitere Kulturpflanzen als Pionierpflanzen dazu, die der heimliche Gärtner aussät. Doch die sozialen Gesellschaften bestimmen sie selber: Ob sie das Wilde Rüebli mit dem markanten schwarzen Punkt in der Blütenmitte als Nachbar haben wollen, ob neben Maria- und die unter Artenschutz stehende Eselsdiestel, Karden und wilder Mohn, Kümmel und Nelken, wilder Fenchel oder Wegwarte, wilder Chicoree wachsen und blühen sollen.
Dabei sind die Pflanzennachbarschaften weit toleranter als Bezirksgärtner von «Zürich Grün», Anwohner, Landschaftsgestalter und beauftragte Gartenbaubetriebe. «Meist werden sie als Unkraut niedergemäht», muss Maggi feststellen. Nur gegenüber hohen in Blüte stehenden Malven zeigen sie sich gnädig. «Eine Schulung wäre gut», sagt Maurice Maggi. Dafür legen übrigens inzwischen auf Vermittlung von «Zürich Grün» hochkarätig besetzte Symposien und Veranstalter von Fachtagungen und -ausstellungen in Berlin, Dresden, München, Düsseldorf oder der Gartenakademie Münster Wert auf die Meinung des bescheidenen Grossstadt-Guerilleros der ersten Stunde; in Vorträgen und als Beiträge in Fachzeitschriften. Und je nachdem, wann Maurice Maggi dort war, beginnen auch hier Malven zu blühen.